Wie verstrahlter Mais Eingang in unsere Küche fand

Carrots of many colors
Die bunte Vielfalt der Karotten. Bild von Stephen Ausmus [Public domain]

Früher war alles besser. Jedenfalls, wenn es um das Essen geht.

Früher konnte man den Ausspruch „Lass die Nahrung Deine Medizin sein und Medizin Deine Nahrung“ unangetastet stehen lassen.

In den 2.500 Jahren, seitdem Hippokrates diese Weisheit ausgesprochen hat, hat sich einiges geändert. Heute reicht es leider nicht mehr aus, Obst, Gemüse und Fleisch aus dem Discounter zu essen, wenn ich mich optimal ernähren möchte. Das meint jedenfalls Jo Robinson in einem Meinungsbeitrag in der New York Times, der mir weitergeleitet wurde.

Denken Sie zurück an das letzte Mal, als Sie eine Möhre aus dem Garten gegessen haben und vergleichen diese mit der Möhre aus dem Supermarkt. Vergleichen Sie die geschmackliche Intensität von Rucola mit der eines Kopfsalates.

Möhren werden mindestens seit der Römerzeit kultiviert. Wie zu erwarten, züchtete der Mensch -bewusst oder unbewusst- süßere Möhren.

Viele Rucolasorten wurden erst in den 1970ern domestiziert – obwohl schon die Germanen die Rauke kannten und schätzten. Wegen ihres kräftigen Geschmacks litt sie aber lange Zeit ein Schattendasein. Wie bei der Möhre griff der Koch in der Regel lieber zu milderen Geschmäckern wie Kopfsalat.

Diese Tendenz, milder schmeckende Pflanzen zu bevorzugen, stellt man in der Kulturgeschichte der Menschheit immer wieder fest. Ebenso tendierte der Mensch dazu, Pflanzen zu züchten, dass Ballaststoffe gegen Stärke und Zucker ausgetauscht wurden.

Unbewusst haben wir, so Robinson, gleichzeitig hingewirkt, dass diese Pflanzen weniger „pflanzliche Nährstoffe“ haben, d.h. Nährstoffe, die nicht zu den Vitaminen und Mineralien gehören. Dazu gehören Flavonoide, Stereole und Schwefelverbindungen.

Konkrete Beispiele für den Nährstoff-Minderwert vieler Pflanzen liefert Jo Robinson in ihrem Artikel Breeding the Nutrition Out of Our Food, wo Sie viele der hier genannten Informationen nachlesen können. Zum Thema hat sie auch das Buch „Eating on the Wild Side“ geschrieben.

Ich habe angefangen, das Buch zu lesen. Sie geht auf die Kulturgeschichte und den Nährstoffgehalt von Obst und Gemüse ein. Sie erklärt, wie man, ohne die Sorten im Supermarkt oder auf dem Markt genau zu kennen, anhand äußerer Merkmale eine relativ sichere Entscheidung treffen kann, welche nährstoffreicher sind als andere. Sie gibt Tipps, wie man Obst und Gemüse am besten lagert und welche Zubereitungsarten mit Blick auf die Nährstoffe vorzuziehen sind.

Sie nennt als Beispiele, dass eine lila Kartoffel aus Peru 28 Mal so viele Anthocyane wie eine Kartoffel der Sorte „Russet“ hat. Manche Apfelsorten haben bis zu 100 Mal mehr Anthocyane als der „Golden Delicious“. Anthocyane helfen gegen Krebs, Bluthochdruck, Zucker, usw. Wie bei allen pflanzlichen Nährstoffen wissen wir nicht super viel darüber, wie sie wirken, wir wissen nur, dass sie gesundheitsfördernd sind.

Teosinte in seiner ganzen Pracht

Interessant ist auch die Geschichte vom Zuckermais. Hier müssen wir aber kurz einen Blick auf den Ur-Mais richten, ein Grasgestrüpp mit Stummelstacheln mit je 5 bis 12 ungenießbaren Körnern, die extrem gut gepanzert sind. Die Körner enthalten 10 Mal so viel Eiweiß wie der moderne Mais und schmecken nach Stärke. Dieser Ur-Mais heißt Teosinte.

Der Evolution sei Dank erlebte diese Pflanze mehrere plötzliche Mutationen. Die Körner befreiten sich von der Knechtschaft ihrer harten Schalen, gruppierten sich zu einem Prototypen eines Maiskolben, und baten sich dem (Ur-)Mexikaner an. Dieser war beeindruckt und fing an, Mais anzubauen. Damals war Mais bunt mit blauen, weißen, roten, gelben, grünen und schwarzen Körnern. Im 15. Jahrhundert war Mais ein fester Bestandteil der Ernährung in und um Mexiko.

Während des Kampfes gegen die Iroquois-Indianer in Nordamerika hat ein Europäer 1779 ein Feld mit einer fast ausschließlich gelben Sorte Mais entdeckt, die süßer als der bunte Mais war. Auch die Ureinwohner von Amerika haben Süße bevorzugt und selektiv angebaut.

Der gelbe Mais bereitete sich unter den Europäern aus, die sich mit Enthusiasmus an die Züchtung neuer und süßerer Sorten machten.

Um 1959 unterging der Mais abermals einer spontanen Mutation und wurde 10x süßer als er vorher war. Diesen Mais hat der Entdecker weiter gezüchtet. Unser heutiger Zuckermais stammt von diesen Kreuzungen ab.

Ursprünglich stand in dem Artikel, dass man den Mais radioaktiver Strahlung ausgesetzt hat, um verschiedenes zu testen. Dabei sei der Zuckermais entstanden. Zwischenzeitlich steht folgende Korrektur da:

This article has been revised to reflect the following correction:

Correction: June 2, 2013

An opinion essay last Sunday about the reduced nutritional content in many modern fruits and vegetables referred incorrectly to the origins of supersweet corn. The corn was a result of a natural, spontaneous mutation, and was not created through radiation.

Ich hoffe, Sie verzeihen mir die reißerische aber ungenaue Überschrift. Es wäre eine zu schöne und krasse Anekdote gewesen. Ein bisschen unverständlich, wie der Autorin ein solcher Fehler unterlaufen sein konnte, der leider einen Beigeschmack hinsichtlich der Wahrheit der anderen Aussagen hinterlässt.

Trotzdem gibt es genug Untersuchungen, die zeigen, dass viele Lebensmittel heute einen geringeren Nährstoffgehalt aufweisen, als vor 50 oder 100 Jahren. Die Hauptgründe sind zum einen tatsächlich neue Züchtungen, zum anderen moderne Anbauumstände.

Pflanzen wachsen schneller, aber sie nehmen nicht schneller Nährstoffe auf. Des Weiteren können sie nicht mehr so viele Nährstoffe aufnehmen, weil unsere Böden ausgelaugt sind – sofern nicht in Gewächshäusern ohne Boden gezüchtet wird.

Wie stark diese Änderungen sind, steht wohl zur Debatte. Aber die beiden Links im vorletzten Absatz berichten von folgenden Werten:

  • In manchen Getreide- und Maissorten nahm der Eiweißgehalt in den letzten 50-100 Jahren z.T. um 30%-50% ab.
  • Heutiger Weizen enthält 22%-29% weniger Mineralien als vor 100 Jahren.
  • Brokkoli hatte 1950 12,9mg/g Kalzium, 2003 waren es nur 4,4mg.
  • In 12 Sorten Gemüse nahm der Eisengehalt um 37% ab, Vitamin A um 21%, Vitamin C um 30%.Wir müssten 8 Orangen essen, um soviel Vitamin A zu bekommen, wie unsere Großeltern durch 1 Orange. (Orangen sind nun aber wirklich nicht für ihren Vitamin A-Gehalt bekannt!)

Bei solchen Werten müssten wir tatsächlich unsere Ernährung ergänzen oder einfach viel mehr essen, um mit so vielen Nährstoffen versorgt zu sein, wie unsere Ur-Großeltern es waren.

Vielleicht sind die sogenannten „Superfoods“ wie Chia oder Quinoa einfach so super, weil sie von der Industrie noch nicht verzüchtet wurden und oftmals in Gegenden angebaut werden, die noch nicht so intensiv beackert wurden.

Nicht alle moderne Kreuzungen sind aber von Haus aus nährstoffarm. In ihrem Buch nennt Jo Robinson auch Beispiele von manchen jüngeren Sorten, die weitaus nährstoffreicher als Sorten von vor 100 Jahren sind.

Trotzdem kann überwiegend gesagt werden, dass frühere Generationen mit weniger Essen mehr Nährstoffe bekamen.

Was denken Sie? Müssen oder sollten wir unsere Ernährung ergänzen?

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